Das Bundesverwaltungsgericht hat am 21. März 2007 (Az.: 6 P 4.06 und 6 P 8.06) ein richtungsweisendes Urteil bezüglich der Mitbestimmung bei der Beschäftigung von Personen in Arbeitsgelegenheiten (sog. 1-Euro-Jobs) gefällt. In der Vergangenheit war diese Frage in der Rechtssprechung heftig umstritten und es kam zu diversen, sich in der Frage des Mitbestimmungsrechts wiedersprechenden Urteilen. Die Stellungnahme des BVerwG ist diesbezüglich eindeutig. Mit dem genannten Personenkreis wird zwar kein Arbeitsverhältnis begründet, allerdings wird unter dem personalvertretungsrechtlichen Begriff der Einstellung allgemein die Eingliederung in die Dienststelle durch Aufnahme einer weisungsabhängigen Tätigkeit verstanden. Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses ist für den Mitbestimmungsgedanken keine verpflichtende Notwendigkeit. Vielmehr hat der Personalrat im Interesse der regulären Beschäftigten der Dienststelle zu prüfen, ob der betreffende Hilfebedürftige für die fragliche Tätigkeit geeignet ist und ob die ausgewählten Einsatzbereiche das Merkmal der Zusätzlichkeit erfüllen.
Da auch das Mitbestimmungrecht bei Einstellungen gemäß Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG § 43 Nr. 1 in Verbindung mit § 45 Abs. 2) eine Ablehnungsmöglichkeit der MAV bei Rechtsverstößen vorsieht, dürfte eine Übertragbarkeit des Urteils auf den kirchlichen Bereich anzunehmen sein.
Siegfried Wulf
Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 21. März 2007
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in zwei heute verkündeten Entscheidungen, die sich auf die Städte Mainz und Wetzlar beziehen, das Recht der kommunalen Personalräte zur Mitbestimmung bei der Besetzung sog. "Ein-Euro-Jobs" durch die Kommune festgestellt.
Nach § 16 Abs. 3 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch sollen für Dauerarbeitslose Gelegenheiten für im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten geschaffen werden. Den Personen, die solche Arbeiten verrichten, wird zusätzlich zum Arbeitslosengeld II eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen gezahlt. In den vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Streitfällen kamen Arbeitslose bei Stadtverwaltungen in folgenden Funktionen zum Einsatz: Betreuung des Informationsschalters im Stadthaus, Aktualisierung und Umorganisation des Bauaktenarchivs, gärtnerische Pflegearbeiten in den öffentlichen Grünanlagen, Unterstützungsarbeiten in Kindertagesstätten und Jugendzentren sowie bei örtlichen Erhebungen und Geschwindigkeitsmessungen. Die Einsatzdauer betrug sechs Monate, die Mehraufwandsentschädigung bis zu 1,30 Euro/Stunde, die wöchentliche Beschäftigungszeit zwanzig bzw. dreißig Stunden.
In beiden Fällen machte der Personalrat der Stadt ein Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen geltend. Der Oberbürgermeister als Leiter der Verwaltung trat dem jeweils mit der Begründung entgegen, dass keine Einstellungen im Sinne des Mitbestimmungstatbestands vorlägen. Unter dem personalvertretungsrechtlichen Begriff der Einstellung wird allgemein die Eingliederung in die Dienststelle durch Aufnahme einer weisungsabhängigen Tätigkeit verstanden; ein Arbeitsverhältnis muss nicht notwendig begründet werden. Die Frage, ob der Einsatz von "Ein-Euro-Kräften" als mitbestimmungspflichtige Einstellung zu werten ist, wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beantwortet. Auch in den beiden vorliegenden Fällen sind die Vorinstanzen zu entgegengesetzten Ergebnissen gelangt.
Der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts gab den Personalräten recht und bestätigte das von ihnen in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht. Die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen unterliegen bei der Verrichtung von im öffentlichen Interesse liegenden zusätzlichen Arbeiten wie Arbeitnehmer der Weisungsbefugnis des Dienststellenleiters. Dieser ist bei der Auswahl des Personenkreises nicht an die Entscheidung der für die Leistung von Arbeitslosengeld II zuständigen Arbeitsgemeinschaft (Arge) gebunden. Deswegen hat der Personalrat im Interesse der regulären Beschäftigten der Stadt zu prüfen, ob der betreffende Hilfebedürftige für die fragliche Tätigkeit geeignet ist und ob die ausgewählten Einsatzbereiche das Merkmal der Zusätzlichkeit erfüllen. Mit diesem Erfordernis soll sichergestellt werden, dass durch die Tätigkeit erwerbsfähiger Hilfebedürftiger reguläre Beschäftigungsmöglichkeiten nicht verdrängt werden.