In einer Auseinandersetzung bezüglich Wanderarbeitern in Österreich hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 05.12.2013 (C 514/12) entschieden, dass eine Differenzierung zwischen bei demselben Arbeitgeber und bei anderen Arbeitgebern zurückgelegten Zeiten grundsätzlich gegen die europarechtlichen Freizügigkeitsvorschriften verstößt. Gemäß Rechtseinschätzung der Gewerkschaft ver.di können sich hieraus Ansprüche der Beschäftigten auf die Stufenzuordnung, auf den Krankengeldzuschuss und auf das Jubiläumsgeld ergeben, die über die Regelungen in den Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst hinausgehen.
In dem verhandelten Fall im Bereich des österreichischen Bundeslandes Salzburg rücken Vertragsbedienstete alle zwei Jahre in die nächst höhere Entlohnungsstufe vor. Dabei legt der dort gültige Tarifvertrag fest, dass bestimmte Zeiten im vollen Umfang berücksichtigt werden, andere Zeiten, die vor dem Anstellungstag beim aktuellen Arbeitgeber liegen, aber nur zu 60 % bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtages zu berücksichtigen sind. Hierdurch kommt es zu einer unterschiedlich starken Gewichtung von Dienstzeiten, die beim selben Arbeitgeber und Dienstzeiten, die bei anderen Arbeitgebern zurückgelegt wurden. Dies verstößt gemäß EuGH gegen die europarechtlichen Freizügigkeitsvorschriften.
Nach Rechtseinschätzung von ver.di liegt eine ähnliche Fallgestaltung im Bereich der Tarifverträge des TVöD und des TV-L vor. Bezüglich der Stufenzuordnung innerhalb der Entgeltgruppen stellen beide Tarifverträge grundsätzlich auf einschlägige Berufserfahrung ab, differenzieren allerdings für die Beschäftigten des Bundes in den Entgeltgruppen 9 – 15 und für alle Beschäftigten im Bereich der Länder bei der Anrechnung der einschlägigen Berufserfahrung danach, ob diese Berufserfahrung bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber erworben wurde. Auch dies verstößt nach Rechtseinschätzung der Gewerkschaft ver.di gegen die europarechtlichen Freizügigkeitsvorschriften. In Anerkennung des Urteils müssen laut ver.di zukünftig alle Zeiten einschlägiger Berufserfahrung, egal ob bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber erworben, für die Stufenzuordnung angerechnet werden.
Die hannoversche Landeskirche schätzt das EuGH-Urteil anders ein. Danach ist es auf den Bereich des bei uns zur Anwendung kommenden TV-L nicht übertragbar. Es wird also erst einmal bei der Differenzierung der Anrechnung der einschlägigen Berufserfahrung bezüglich der Stufenzuordnung bleiben, bis entweder die Tarifparteien in Anerkennung des EuGH-Urteils die tariflichen Bestimmungen zur Stufenzuordnung anpassen, oder ein entsprechendes Gerichtsurteil im deutschen Bereich die konforme Anwendung des EuGH-Urteils bestätigen wird.
Siegfried Wulf