Schon im Jahr 2010 stellte das Bundesarbeitsgericht aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes fest, dass der im Bundesurlaubsgesetz festgeschriebene gesetzliche Mindesturlaub und der Schwerbehinderten zustehende Zusatzurlaub nicht verfallen, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums aufgrund langfristiger Arbeitsunfähigkeit seinen Urlaub nicht nehmen konnte. Darüberhinaus entstehen bei einem aufgrund Krankheit ruhenden Arbeitsverhältnis weitere Urlaubsansprüche.
Im November 2011 präzisierte der Europäische Gerichtshof sein damaliges Urteil, indem er feststellte, dass dem Jahresurlaub seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer fehlt (Erholungszweck im Urlaubsjahr), wenn zwischen dem Entstehen des Jahresurlaubs und dem späteren Nehmen eine gewisse zeitliche Grenze überschritten wird. Im damals verhandelten Fall sah der Tarifvertrag einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vor. Dies sah der EuGH als einen vernünftigen Übertragungszeitraum auch für Beschäftigte an, die ihren Jahresurlaub wegen langfristiger Erkrankung nicht im Arbeitsjahr nehmen konnten.
Das Bundesarbeitsgericht hat unter dem Aktenzeichen 9 AZR 353/10 am 7. August 2012 entschieden, dass in unionsrechtskonformer Auslegung des EuGH-Urteils grundsätzlich der Verfall des Urlaubs 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres nicht zu beanstanden ist, selbst wenn eine entsprechende tarifvertragliche Regelung fehlt.
Verhandelt wurde der Fall einer Mitarbeiterin in einer Rehabilitationsklinik, die dort vom 1. Juli 2001 bis zum 31. März 2009 beschäftigt war, deren Beschäftigungsverhältnis aber seit dem 20. Dezember 2004 ruhte, da sie eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezog. Die Beschäftigte klagte auf Abgeltung von insgesamt 149 Urlaubstagen aus den Jahren 2005 bis 2009. Das BAG gestand ihr nur Ansprüche auf Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und Zusatzurlaubs aus den Jahren 2008 und 2009 zu. Die Ansprüche der Vorjahre sah das BAG mit Ablauf des 31. März des zweiten, auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres als verfallen an.
Siegfried Wulf